Weinverkostung - Die Trinkreife beim Wein

Die Trinkreife beim Wein

« Wann erreicht der Wein seine Blüte? »

Ein guter Wein begeistert durch seine Aromen und seinen Geschmack. Manchmal muss er etwas länger reifen, um sich voll zu entfalten, manchmal weniger. Den Zeitpunkt, an dem er seinen aromatischen und somit geschmacklichen Gipfel erreicht, nennt man Trinkreife. Aber was steckt genau dahinter? Und von was hängt die Reifezeit ab? Werfen wir einen näheren Blick darauf.

Die meisten gehandelten Weine sind trinkreif

Ob ein Wein trinkreif ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dabei sollte man sich jedoch bewusst machen, dass die meisten Abfüllungen weltweit bereits ihre Trinkreife erreicht haben. Genauer gesagt kommen 80 Prozent der Erzeugnisse trinkfertig in die Flasche. Man könnte also in den überwiegenden Fällen ohne Reue nach dem Kauf gleich trinken.

Ansitz Waldgries Lagrein | Rotwein aus Südtirol - Die Trinkreife beim Wein

Ganz so einfach ist es aber doch nicht immer. Schauen wir uns den Begriff Trinkreife einmal genauer an. Wir sollten wissen, dass Wein von seiner Geburtsstunde an einem Verfallsprozess unterworfen ist, an dessen Ende ein ungenießbarer Rebensaft steht. Wenn wir dem Getränk einen Lebensbaum zuschreiben würden, ist es in seiner Jugend wild und ungestüm, ohne klare Strukturen. Diese definieren sich im Laufe seiner Entwicklung im Eichenfass oder Edelstahltank. Hat die Reife des Weins einen Punkt erreicht, an dem seine Merkmale deutlich hervortreten, wird der Rotwein oder Weißwein umgefüllt. Aber auch in der Flasche entwickelt er sich weiter, immer in Richtung Zenit. Nach dem Überschreiten des Höhepunktes bauen sich die Weineigenschaften wieder ab. Die Trinkreife stellt beim Wein genau dieses Zeitfenster des maximalen Genusses dar, bevor Geschmack und Aroma wieder abflachen und das Getränk irgendwann ungenießbar wird.

Menhir Primitivo di Manduria DOC

Trinkreife ist keine definierte Größe in einem festgeschriebenen System

Die Trinkreife ist von den Vorlieben und Trinkgewohnheiten ebenso abhängig, wie von der Rebe, der Bewirtschaftung im Weinberg und der Kellertechnik. Schauen wir uns zum Beispiel einmal die roten Jungweine an, die jedes Jahr aufs Neue ihre Anhänger begeistern. Diese Jungweine werden nach einem speziellen Verfahren gekeltert, der sogenannten Kohlensäuregärung (auch karbonische Gärung, Kohlendioxid-, Kohlenstoff- oder Ganztrauben-Maischung), bei der die Trauben nicht gepresst werden, sondern unter Sauerstoffabschluss unter dem Druck des eigenen Gewichtes aufplatzen. Auf diese Art und Weise kommt der Saft nur in geringem Maße mit den farbgebenden Schalen in Kontakt und so entsteht die helle Farbe des Jungweins.

Diese Jungweine haben viel Frische und wenig Tannine, was sie so früh trinkbar macht. Sie haben bereits wenige Monate nach der Lese ihre Trinkreife erreicht. Leider verlieren sie ihr Feuer genauso schnell wie es entfacht wurde. Aber für die nächsten Monate (bis zu max. 2 Jahren) sind sie fruchtbetonte Stimmungskanonen für jede Party.

Anders ist es zum Beispiel bei einem schweren Rotwein, der nach der Pressung noch einige Zeit zusammen mit den Schalen im Fass oder Tank verbracht hat. Er ist reich an Tanninen aus den Schalen, Kernen und Stengeln der Trauben und zeigt durch den langen Kontakt mit den farbgebenden Schalen von Beginn an eine dunkle Farbe. Dies sind Erzeugnisse, die jung fast ungenießbar sind, da sie dem Konsumenten ein pelziges Gefühl im Mund bescheren, was Adstringenz genannt. Das sind zum Beispiel Bordeauxweine oder auch reinlagige, hochwertige Winzerweine, die noch 5-10 Jahre in Holzfässern gelagert werden bis sie in den Bereich der idealen Trinkbarkeit aufsteigen.

Je nach Jahrgang und Güte des Leseguts, Alter der Reben und deren Terroir ist das Zeitfenster der optimalen Trinkreife bei diesen Weinen nur durch ständiges Überwachen und Testen zu bestimmen. Die Erfahrung des Kellermeisters, wann der rechte Zeitpunkt zum Abfüllen dieser hochwertigen Tropfen ist, macht die Tragweite und die Wichtigkeit seiner Stellung in der Weinherstellung deutlich. Deutlich wird hierdurch auch, dass der gern genutzte Satz: „Weinkauf ist Vertrauenssache“ durchaus seine Berechtigung hat.

Junge Frau in einer Wein-Kellerei - Die Trinkreife beim Wein
© JackF – stock.aadobe.com

Was ist Firne?

Ob Rotwein oder Weißwein: Die Trinkreife geht an beidem nicht vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. In diesem Zusammenhang fällt oft das Wort Firne. Die Zeit der Firne bezeichnet ein Stadium der Weinreife, die hinter dem Zenit liegt. Der Wein baut bereits wieder ab. Er wird dunkler oder auch intensiver in der Farbgebung. Der Beginn der Firne liegt so nahe beim Reifehöhepunkt, dass sie zu Beginn oft noch als angenehm wahrgenommen wird, dann aber in der Weiterentwicklung geschmacklich stark abbaut. Nicht zu verwechseln ist dies mir einer leicht bräunlichen Färbung von älterem Rotwein. Ebenso wenig das deutliche Gelb eines einst hellen, strohfarbenen Rieslings, der in die Jahre gekommen ist und nun auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung steht. Die Zeichen richtig zu deuten ist nicht ganz einfach, aber durchaus mit einer Portion Erfahrung zu meistern.

jemand riecht an einem Weinglas, unangenehmer Geruch
© giacomoprat – stock.adobe.com

Adstringenz

Wichtig: Trinkreifer Wein ist nie unangenehm. Das raue bis pelzige Gefühl (Adstringenz), das sich im Mundraum einstellen kann, ist kein Zeichen von Ungenießbarkeit. Vielen Weinen wird durch die Fasslagerung (hier entscheidet der Kellermeister wieder, ob neue oder gebrauchte Fässer zum Einsatz kommen) eine Extraportion Tannin zugeführt. Der Rotwein selbst bringt schon eigene Tannine mit in die Reifung. Diese ergeben zusammen mit den Tanninen, die dem Holz des Fasses (Barrique) entspringen, genau die Dosierung, die der Kellermeister für diesen Rotwein bestimmt hat. Im Laufe der Jahre glätten sich diese adstringierenden Einflüsse. Die Tannine verbinden sich, verändern ihre Struktur und werden als angenehmer und runder empfunden. Die Portion Adstringenz, die gereiften Rotweinen zu eigen ist, ist ein Qualitätsmerkmal und das Ergebnis gezielter Kellerarbeit.

Château Vignol Bordeaux rouge

Tipps zur Bestimmung der Trinkreife

Die Reife des Weins zu bestimmen, sein aktuelles Stadium zu erkennen und eine Prognose über seine Entwicklung zu wagen, ist nicht ganz einfach. Aber es gibt Möglichkeiten zumindest eine grobe Schätzung zur Trinkreife abzugeben.

Geschenk "Samt und Seide - deutsche Burgunder"

Dazu muss man wissen, dass der Weinalterungsprozess maßgeblich von dem Kontakt mit Sauerstoff/Luft abhängt. Diese Tatsache machen wir uns zunutze. Wir öffnen die Flasche und setzen den Inhalt einer kontrollierten Luftzufuhr aus, sprich, wir lassen die Flasche offen stehen oder füllen den Inhalt in eine Karaffe um. Wir protokollieren den ersten Geschmackstest und lassen dem Prozess seinen Lauf.

Wein Probierpakete | Egal ob Spanien, Bordeaux oder Toskana - wir haben unsere persönlichen Empfehlungen für Sie zusammengestellt.

Weitere Verkostungen zeigen deutlich die Veränderung. Bleibt einer der Weine unbeeinflusst von der Umgebungsluft, und das über 1-2 Tage, ist er noch mindestens für die kommenden fünf Jahre lagerfähig. Fällt ein junger Rotwein oder Weißwein bereits nach wenigen Stunden aus, wird er keine weitere Lagerung verkraften und sollte zeitnah verkostet werden. Aber Vorsicht: Ältere, bereits gereifte Erzeugnisse, die schon trinkreif sind, reagieren auf den Sauerstoffschub auch schon einmal mit einer heftigen Oxidation und schlagen in kurzer Zeit den Weg in die Ungenießbarkeit ein.

Tipp: In der Weinherstellung und auch bei bekannten Sommeliers stehen Listen bereit, die sich auf die optimale Trinkreife eines Weins konzentrieren. Ob Weißwein oder Rotwein, der Hersteller kennt sein Produkt und auch seine temporäre Entwicklung, seine Aussagen sind meist treffend, ordentliche Lagerung vorausgesetzt.

Professionelle Verkoster bieten ebenfalls für Weißwein und Rotwein Empfehlungen an, denen das Ergebnis ihrer eigenen Empfindungen zugrunde liegt.